Entzug von Teilen der elterlichen Sorge nicht verfassungswidrig
Eine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich die Mutter einer mittlerweile 16-jährige Tochter, bei der ein Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen besteht, gegen familiengerichtliche Entscheidungen gewandt hat. Der Mutter war unter anderem das Recht zur Regelung schulischer Belange und der Gesundheitssorge für ihre Tochter entzogen worden. Die Fachgerichte hatten eine Kindeswohlgefährdung gesehen, weil die Tochter massiv schulisch überfordert sei. Die Mutter hatte alle Hilfsangebote abgelehnt und die Tochter unter permanenten Leistungsdruck gesetzt. Durch den teilweisen Sorgerechtsentzug hat das Bundesverfassungsgericht keine Grundrechtsverletzung, etwa des Elternrechts, erkannt. Das Kindeswohl wiegt schwerer als das Elternrecht.
Teilweiser Sorgerechtsentzug stellt keine Grundrechtsverletzung dar.
Schon in der Grundschulzeit
wurden bei der inzwischen 16-jährigen Rita M. ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. Das Kind hatte Schwierigkeiten beim Lernen. In verschiedenen Testverfahren wurde ein sehr niedriger Intelligenzquotient zwischen 63 und 74 festgestellt, das ist der unterste Bereich auf der IQ-Skala. Trotzdem meldete die Mutter ihre Tochter gegen den Rat der Fachleute auf dem Gymnasium an. Dort kam es schnell zu erheblichen Konflikten. Das maßlos überforderte Mädchen griff ihre Mitschüler und Mitschülerinnen an. Rita wurde dauerhaft von dieser Schule ausgeschlossen. Anschließend besuchte sie eine Realschule Plus, das ist die Bezeichnung für eine Schulform, in der Haupt- und Realschulen zusammengeführt wurden. Rita wurde hier täglich drei Stunden unterrichtet, aber auch hier gab es große Schwierigkeiten mit Lehrern, Lehrerinnen und Mitschülern.
Ein Sorgerechtsverfahren, eingeleitet auf Initiative des Jugendamtes,
führte dazu, dass Ritas Mutter das Recht entzogen wurde, schulische Belange ihrer Tochter zu regeln. Gegen die Entscheidung des Familiengerichts legte die Mutter Beschwerde ein, die vom Oberlandesgericht zurückgewiesen wurde. Das Familiengericht habe zu Recht angenommen, dass das körperliche und seelische Wohl von Rita nachhaltig gefährdet sei, weil ihre Mutter versagt hatte. Trotz gegenteiliger Ratschläge aller Fachkräfte habe die Mutter einen derartigen Leistungsdruck auf ihre Tochter ausgeübt, dass diese permanent überfordert, traurig, verzweifelt, ohne jede Lebenslust sei und dass sie auch schon Suizidgedanken geäußert habe. Es habe auch körperliche Übergriffe der Mutter gegeben, Rita habe bei schlechten Noten in der Schule Ängste vor Schimpfen oder Schlägen der Mutter geäußert.
Diese sei nicht bereit gewesen, ihre eigenen Vorstellungen zu überdenken,
angebotene Hilfestellungen habe sie abgelehnt oder abgebrochen.
Das Bundesverfassungsgericht konnte keine Verletzung des Elternrechts erkennen. Der teilweise Entzug der es Sorgerechts der Mutter werde den materiellen und verfahrensrechtlichen Anforderungen gerecht. Es sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht eine Kindeswohlgefährdung festgestellt hatte. Die Mutter lasse ihrer Tochter die benötigte Unterstützung und Förderung nicht zuteilwerden. Sie setze Rita unter permanenten Leistungsdruck. Das Wohl der Tochter, insbesondere ihre seelische Gesundheit, sei gefährdet, schlossen die Fachgerichte. Weniger eingriffsintensive Maßnahmen als der Teilentzug des Sorgerechts seien nicht geeignet, die Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden. Dadurch würden die Fachgerichte weder die Bedeutung des Elternrechts noch den Umfang seines Schutzbereichs verkennen.
So hatte Rita M.s Mutter mit ihrer Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg, sie wurde nicht zur Entscheidung angenommen.
Az 1 BvR 1525/20, Beschluss vom 14.9.2021, BVerfG-Pressemitteilung
Ihr Ansprechpartner für dieses Thema:
Rechtsanwältin
Inge Saathoff
Fachanwältin für Familienrecht
Rechtsanwalt
Burkhard Bühre
Fachanwalt für Familienrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht
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