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Zusammenhänge Arbeits­losen­geld, Sperrzeit & Aufhebungsvertrag erklärt

von | 11. Nov 2024 | Arbeitsrecht

Gibt es einen Anspruch auf Arbeitslosengeld trotz Aufhebungsvertrag?
Ein Überblick zu möglichen Risiken und Gestaltungsoptionen

Viele Unternehmen bevorzugen eine einvernehmliche, wertschätzende und konfliktfreie Trennung,  da Gerichtsverfahren oft kostspielig und zeitraubend sind und nur verzögert Rechtssicherheit herstellen.
Die Bereitschaft der Mitarbeitenden zur Vertragsbeendigung hängt jedoch nicht nur von der Abfindungshöhe ab, sondern auch davon, ob eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld droht. Oft wird ein vermeintliches Sperrzeitrisiko als Verhandlungshebel für höhere Abfindungen genutzt. Häufig jedoch geht es um finanzielle Sicherheit, falls sich eine Anschlussbeschäftigung verzögert. Wann eine Sperrzeit droht und welche Optionen es gibt, diese zu vermeiden oder abzumildern, wird hier zusammengefasst.

Gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld zwölf Wochen, wenn Beschäftigte ihr Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund lösen und dadurch die Arbeitslosigkeit herbeiführen. Diese Sperrzeit verkürzt auch die Bezugsdauer um zwölf Wochen (mindestens jedoch um ein Viertel gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Diese Reduzierung kann sich bei längerer Arbeitslosigkeit stark auswirken.

Achtung: Der Abschluss von Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen führt grundsätzlich zu einer Sperrzeit

Sperrzeitunschädliches Verhalten

Wer eine Kündigung lediglich annimmt und keine Kündigungsschutzklage erhebt, muss in der Regel keine Sperrzeit befürchten. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber eine Abfindung im Rahmen einer §-1a-KSchG-Kündigung anbietet, um auf die Klage zu verzichten. Allerdings wird diese Möglichkeit von Unternehmen selten genutzt, da sie nicht alle offenen Fragen klärt und keine schnelle Rechtssicherheit bietet.

Im Gegensatz dazu führt der Abschluss von Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen grundsätzlich zu einer Sperrzeit, da Beschäftigte aktiv der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zustimmen. Ohne einen wichtigen Grund für den Vertrag droht eine Sperrzeit. Auch bei einem gerichtlichen Vergleich nach einer Kündigung kann eine Sperrzeit entstehen, wenn keine wichtigen Gründe vorliegen, auch wenn dies von Arbeitsagenturen selten sanktioniert wird.

Wichtige Gründe für die Mitwirkung an der Vertragsbeendigung

Die Bundesagentur für Arbeit hat fachliche Weisungen erlassen, die definieren, unter welchen Umständen ein „wichtiger Grund“ für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Diese Gründe können sowohl aus der persönlichen Situation des Mitarbeiters (z. B. Umzug) als auch aus betrieblichen Gründen (z. B. Insolvenz) resultieren. Der relevanteste Grund für arbeitgeberseitige Trennungen ist die folgende Voraussetzung:

  • Der Arbeitgeber hat eine Kündigung angedroht.
  • Die Kündigung beruht auf betrieblichen oder personenbezogenen Gründen.
  • Der Aufhebungsvertrag beachtet die Kündigungsfristen.
  • Der Mitarbeiter ist nicht unkündbar.
  • Der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung von bis zu einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.

Ein häufiges Problem stellt die Höhe der Abfindung dar. Bei geringen Abfindungen wird häufig angenommen, dass die Kündigung verhaltensbedingt war, während hohe Abfindungen den Verdacht auf eine rechtswidrige Kündigung nahelegen. Beschäftigte müssen daher den Vorteil einer höheren Abfindung gegen das Risiko einer Sperrzeit abwägen.

Turboklausel und Sperrzeit

Die sogenannte Turboklausel ermöglicht eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Auszahlung der ausstehenden Gehälter als Abfindung. Wird diese Klausel vorzeitig genutzt, verkürzt sich häufig die Kündigungsfrist, was ebenfalls zu einer Sperrzeit führen kann. Diese Klausel wird in der Praxis jedoch oft nur genutzt, wenn bereits eine neue Stelle gefunden wurde und Arbeitslosengeld nicht mehr erforderlich ist.

Einkommenslücke durch Sperrfrist kann mit Vereinbarung zur unwiderruflichen Freistellung gemindert oder geschlossen werden.

Unwiderrufliche Freistellung zur Milderung von Sperrzeitfolgen

Wenn eine Sperrzeit nicht vermieden werden kann, bietet eine unwiderrufliche Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung eine Möglichkeit, deren Folgen abzumildern. In diesem Fall beginnt die Sperrzeit mit dem ersten Tag der Freistellung. Bei einer mindestens zwölfwöchigen Freistellung endet sie bereits mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sodass Arbeitslosengeld gezahlt werden kann, sobald die Einkommenslücke entsteht.

Die Grundlage dieser Regelung ist die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das besagt, dass das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne endet, sobald tatsächliche Beschäftigungslosigkeit eintritt (BSG-Urteil vom 25.04.2002 – B 11 AL 65/01 R). Bei einer unwiderruflichen Freistellung kann der Arbeitgeber keine Weisungen mehr erteilen, wodurch die Sperrzeit unmittelbar zu laufen beginnt, auch wenn Urlaubsansprüche angerechnet werden (BSG-Urteil vom 17.10.2002 – B 7 AL 136/01 R).

Die unwiderrufliche Freistellung ist besonders dann nützlich, wenn in vielen Branchen eine dreimonatige Kündigungsfrist üblich ist. Unternehmen können auch einen Teil der Abfindung nutzen, um eine längere Kündigungsfrist zu ermöglichen. Allerdings sollten Unternehmen sorgfältig abwägen, ob sie während der Kündigungsfrist eine unwiderrufliche Freistellung gewähren wollen. Ein Vorteil könnte darin bestehen, dass die Freistellung teilweise durch Urlaubsanrechnung kostneutral wird.

Verkürzung der Gesamtbezugsdauer bleibt unbeeinflusst

Eine unwiderrufliche Freistellung verhindert nicht, dass die Gesamtbezugsdauer des Arbeitslosengeldes verkürzt wird. Diese Verkürzung kann nur vermieden werden, wenn die Trennung mehr als ein Jahr im Voraus vereinbart wird. Laut § 148 Abs. 2 Satz 2 SGB III tritt keine Verkürzung ein, wenn der Grund der Sperrzeit mehr als ein Jahr vor dem Anspruch auf Arbeitslosengeld liegt. Wenn also mehr als ein Jahr zwischen der Freistellung und der Arbeitslosmeldung liegt, kann eine Verkürzung der Bezugsdauer vermieden werden.

Finanzielle Nachteile der Sperrfrist können durch Kompensationszahlung des Arbeitgebers ausgeglichen werden.

Sperrzeitausgleich als letzte Verhandlungsoption

Wenn die zuvor genannten Optionen nicht zur Anwendung kommen oder nicht überzeugend wirken, kann ein Sperrzeitausgleich als ultima ratio dienen. Dabei handelt es sich um eine Kompensationszahlung des Arbeitgebers, die den finanziellen Nachteil einer Sperrzeit ausgleichen soll. Es ist wichtig, die genaue Ausgestaltung dieser Vereinbarung sorgfältig zu prüfen, einschließlich der Frage, ob das Unternehmen die Arbeitslosengeldrisiken übernehmen möchte.

Versicherungsstatus während der Sperrzeit

Während einer bezahlten unwiderruflichen Freistellung hat eine Sperrzeit keine Auswirkungen auf den sozialversicherungsrechtlichen Status. Die Sozialversicherungspflicht bleibt bestehen, und der Arbeitgeber führt weiterhin die Beiträge ab.

Außerhalb einer bezahlten Freistellung bleibt der gesetzliche Krankenversicherungsschutz bestehen. Wer privat krankenversichert ist und Arbeitslosengeld bezieht, sollte prüfen, ob und ab wann die Bundesagentur für Arbeit die Beiträge übernimmt. In Bezug auf die Rentenversicherung entstehen keine Entgeltpunkte während der Sperrzeit, was zu (geringen) Rentennachteilen führen kann. Wer dies vermeiden möchte, kann freiwillige Ausgleichsbeiträge leisten.

Sperrzeitnachteile müssen jedoch nicht endgültig sein. Mit den richtigen Gestaltungsmöglichkeiten können sie in vielen Fällen gemildert werden. Unternehmen sollten im Voraus entscheiden, welche Optionen sie ihren Mitarbeitenden anbieten möchten

Ihr Ansprechpartner für dieses Thema:

Ein Portrait Ihres Ansprechpartners zu diesem Thema, Rechtsanwalt Burkhard Bühre

Rechtsanwalt

Burkhard Bühre

Fachanwalt für Familienrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Ein Portrait Ihres Ansprechpartners zu diesem Thema, Rechtsanwalt Dr. Dirk Habe

Rechtsanwalt

Dr. Dirk Habe

Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht