Klarstellung zur Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB und zur Zuständigkeit im Gesellschaftsverbund
Die Kündigung von Geschäftsführeranstellungsverträgen ist ein vielschichtiger Vorgang, der arbeitsrechtliche wie auch gesellschaftsrechtliche Fragestellungen miteinander verknüpft. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 05.11.2024 – II ZR 35/23) bringt nun bedeutsame rechtliche Klarstellungen hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung solcher Verträge und konkretisiert insbesondere die Anwendung der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB.
Ausgangssituation: Auflösung einer Gesellschaft als Kündigungsgrund
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Beendigung des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers innerhalb einer GmbH & Co. KG-Struktur. Die Besonderheit des Falles lag in der gleichzeitigen Organstellung des Geschäftsführers und seiner vertraglichen Einbindung in die Kommanditgesellschaft. Die Gesellschaft hatte beschlossen, sich aufzulösen, und diesen Beschluss zugleich als wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags gewertet.
Die Kündigung erfolgte durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats – beauftragt von der Gesellschafterversammlung – mit einer Auslauffrist bis zum Monatsende. Später wurde vorsorglich eine weitere Kündigung erklärt, gestützt auf Äußerungen aus dem laufenden Verfahren.

BGH: Zwei-Wochen-Frist gilt auch dann gilt, wenn sich die Kündigung auf im Vertrag ausdrücklich genannte wichtige Gründe stützt
BGH: Zwei-Wochen-Frist gilt auch bei vertraglich definierten Gründen
Zentraler Punkt der Entscheidung war die Anwendung der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB. Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass diese Frist auch dann gilt, wenn sich die Kündigung auf im Vertrag ausdrücklich genannte wichtige Gründe stützt – etwa die Auflösung der Gesellschaft. Dies unterscheidet sich deutlich von einer Sichtweise, die vertraglich vereinbarte Kündigungsgründe aus dem Anwendungsbereich der gesetzlichen Frist herausnehmen möchte. Maßgeblicher Fristbeginn sei nicht der Zugang der Kündigung, sondern der Zeitpunkt, an dem das kündigungsberechtigte Organ – in diesem Fall die Gesellschafterversammlung – positive Kenntnis vom Kündigungssachverhalt erlangt hat. Für die Wirksamkeit sei zudem entscheidend, dass die Kündigung dem Geschäftsführer innerhalb der Frist zugehe – eine bloße Anwesenheit bei der Beschlussfassung reiche hierfür nicht aus.Kollisionspunkt mit dem BAG: Kündigungsfristen für Geschäftsführer
Bemerkenswert ist auch die Aussage des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit der gesetzlichen Kündigungsfristen: Bei Fremdgeschäftsführern – also solchen, die nicht über eine gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung verfügen – seien nach Auffassung des BGH die arbeitsrechtlichen Kündigungsfristen gemäß § 622 BGB entsprechend anwendbar. Der BGH stellt sich damit erneut gegen die bislang vom Bundesarbeitsgericht (BAG) vertretene Auffassung, wonach in solchen Fällen § 621 BGB einschlägig sei, der auf freie Dienstverhältnisse verweist. Diese Divergenz zwischen den höchsten Gerichten schafft in der Praxis Unsicherheiten, insbesondere bei der Vertragsgestaltung und Kündigungsumsetzung in kleineren und mittleren Unternehmen.
Außerordentliche Kündigung: Gesellschaftsauflösung kann ein wichtiger Grund sein – aber nur bei Einhaltung formeller Vorgaben.
Zuständigkeit für die Kündigung: Gesellschafterversammlung darf eingreifen
Ein weiterer Aspekt betrifft die Zuständigkeit zur Kündigung: Obwohl der Gesellschaftsvertrag die Entscheidungsbefugnis dem Aufsichtsrat zuwies, beurteilte der BGH die Entscheidung der Gesellschafterversammlung, die Kündigung selbst vorzunehmen, als wirksam. Voraussetzung sei, dass diese mit einer qualifizierten Mehrheit beschließt, die auch für Vertragsänderungen erforderlich wäre. In einem solchen Fall könne die Versammlung die Zuständigkeit wirksam an sich ziehen.
Praxishinweis für Rechtsanwälte und Unternehmensorgane
Die Entscheidung des BGH betont die rechtlich exakte Einhaltung formeller und materieller Anforderungen bei der außerordentlichen Kündigung von Geschäftsführern. In der Praxis bedeutet das:
- Kündigungen sollten zeitlich strikt innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Kenntniserlangung ausgesprochen werden.
- Der Zugang der Kündigungserklärung ist sorgfältig zu dokumentieren.
- Auch vertraglich definierte Kündigungsgründe lösen die gesetzlichen Erfordernisse aus.
- Die Zuständigkeit zur Kündigung ist prüfungsbedürftig – Eingriffe durch die Gesellschafterversammlung sind zwar möglich, müssen aber formal korrekt abgesichert werden.
- Bei der Wahl der Kündigungsfrist ist im Zweifelsfall § 622 BGB zu beachten, wenn keine gesellschaftsrechtliche Mehrheitsstellung des Geschäftsführers vorliegt.

Wer darf kündigen? Der BGH erlaubt der Gesellschafterversammlung, Zuständigkeiten mit qualifizierter Mehrheit an sich zu ziehen.
Fazit
Die Entscheidung schafft mehr Klarheit in einem komplexen Schnittbereich von Gesellschafts- und Arbeitsrecht. Für Unternehmen wie auch deren Berater unterstreicht sie die Notwendigkeit, Kündigungsprozesse bei Geschäftsführern rechtssicher vorzubereiten und eng an die gesetzliche Systematik anzulehnen. Die Abweichung des BGH vom BAG in Bezug auf Kündigungsfristen bleibt ein Risiko für künftige Streitigkeiten, das bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden sollte.Rechtliche Grundlagen und weiterführende Hinweise
Ihr Ansprechpartner für dieses Thema:

Rechtsanwalt
Dr. Dirk Habe
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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