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Minderjähriges Kind – Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses?

von | 20. Sep 2024 | Familienrecht

Das OLG Hamm hatte sich in einem Beschluss vom 19.08.2024 (4 WF 138/24) mit der Frage zu befassen,

ob ein minderjähriges Kind auf die Geltendmachung eines Prozesskostenvorschusses gegen einen Elternteil verwiesen werden kann, bevor Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird. Dabei ging es insbesondere um die Voraussetzungen und Grenzen eines solchen Vorschusses als Teil der gesetzlichen Unterhaltspflicht.

Zum Sachverhalt

Die minderjährige Antragstellerin begehrte im Wege eines Stufenantrags zunächst Auskunft über die Einkommensverhältnisse ihres Vaters, des Antragsgegners. Zugleich beantragte sie Verfahrenskostenhilfe. Im Zuge dessen hatte sie angekündigt, eine Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nachzureichen. Das Amtsgericht wies den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurück, ohne der Antragstellerin zuvor eine Frist zur Nachreichung der Unterlagen zu setzen. Es verwies darauf, dass ein möglicher Anspruch auf einen Prozesskostenvorschuss durch den Vater der staatlichen Unterstützung vorginge und dieser zunächst geltend zu machen sei.

Die Antragstellerin legte dagegen sofortige Beschwerde ein und reichte schließlich die erforderliche Erklärung ein. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und führte aus, dass ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss auch dann vorrangig sei, wenn der Verpflichtete sich weigere, Unterhalt in der gewünschten Höhe zu zahlen. Andernfalls würde der Vorschussanspruch leer laufen.

Das OLG Hamm hob die Entscheidung aufund verwies die Sache zur erneuten Prüfung an das Amtsgericht zurück. Es stellte klar, unter welchen Voraussetzungen eine Verweisung auf einen Prozesskostenvorschuss im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe zulässig ist.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Nach Auffassung des Gerichts kann einem minderjährigen Kind gegen einen Elternteil in entsprechender Anwendung von § 1360a Abs. 4 BGB ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses zustehen. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht, die in bestimmten Fällen auch die Finanzierung notwendiger Rechtsstreitigkeiten umfasst.

Allerdings setzt eine Verweisung auf diesen Vorschussanspruch voraus, dass dieser Anspruch in der Praxis kurzfristig durchgesetzt werden kann. Nach gefestigter Rechtsprechung ist dies nur dann der Fall, wenn der Anspruch eindeutig und zweifelsfrei besteht. Ist dies nicht der Fall und müsste der Anspruch erst in einem eigenständigen, langwierigen Verfahren geklärt werden, ist dem Hilfsbedürftigen nicht zuzumuten, sich auf diesen Vorschuss zu berufen.

Eine Mutter studiert zusammen mit Ihrem Kind ein Schreiben des Gerichtes
Prozesskostenvorschuss: In bestimmten Fällen kann die gesetzlichen Unterhaltspflicht auch die Finanzierung notwendiger Rechtsstreitigkeiten umfassen

Im vorliegenden Fall

war die Durchsetzung eines Vorschusses mit Unsicherheiten behaftet. Der Antragsgegner hatte lediglich erklärt, dass er sich zur Zahlung von 100 % bis 105 % des Mindestunterhalts verpflichtet fühle, jedoch keine vollständige Offenlegung seiner Einkünfte vorgenommen. Die Antragstellerin vermutete, dass weitere Einnahmen verschwiegen worden seien, konnte dies aber mangels Informationen nicht sicher belegen. Ein gesicherter Vorschussanspruch war somit nicht feststellbar.

Zudem betonte das Gericht, dass die Entscheidung des Amtsgerichts verfahrensrechtlich fehlerhaft war. Es hätte der Antragstellerin eine Frist setzen müssen, um die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Ebenso hätte das Gericht deutlich darauf hinweisen müssen, wenn es einen ergänzenden Vortrag zur möglichen Vorschusspflicht für erforderlich hielt. Auch wurde der vorprozessual tätig gewordene Anwalt des Antragsgegners nicht über das Verfahren informiert, was unter Umständen gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstößt.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das OLG Hamm macht deutlich, dass eine Verweisung auf einen Prozesskostenvorschuss nur dann in Betracht kommt, wenn der Anspruch zweifelsfrei besteht und kurzfristig durchsetzbar ist. Eine solche Verweisung darf nicht dazu führen, dass der Antragsteller auf ein unsicheres und langwieriges Verfahren verwiesen wird, insbesondere wenn die Erfolgsaussichten unklar sind. Damit unterstreicht die Entscheidung die Bedeutung der Verfahrenskostenhilfe als grundlegendes Instrument zur Wahrung der Chancengleichheit im Rechtsstreit.

OLG Hamm, Beschluss vom 19.08.2024 – 4 WF 138/24

Ihr Ansprechpartner für dieses Thema:

Ein Portrait Ihres Ansprechpartners zu diesem Thema, Rechtsanwältin Inge Saathoff

Rechtsanwältin

Inge Saathoff

Fachanwältin für Familienrecht

Ein Portrait Ihres Ansprechpartners zu diesem Thema, Rechtsanwalt Burkhard Bühre

Rechtsanwalt

Burkhard Bühre

Fachanwalt für Familienrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht