Anspruch auf Vergütung wahren

Was muss der zu Unrecht gekündigte Arbeitnehmer tun, um seinen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nicht zu verlieren?


Frau liest mit Entsetzen Ihre Kündigung

Ausgangssituation

Wenn ein Arbeitnehmer seine Klage gegen eine unberechtigte Kündigung gewinnt,


muss grundsätzlich der Arbeitgeber die Vergütung für die Vergangenheit nachzahlen unter Berücksichtigung des auf die Agentur für Arbeit übergegangenen Teils der Vergütung, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich Arbeitslosengeld erhalten hat.

Die Anspruchsgrundlage für diese Vergütung ist § 615 BGB, der sogenannte „Annahmeverzug“. Nach § 615 Satz 2 BGB muss sich der Arbeitnehmer jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge „des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt“.

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

vom 27.05.2020 – 5 AZR 387/19 – muss der Arbeitnehmer Auskünfte über die ihm von der Agentur für Arbeit unterbreiteten Vermittlungsangebote erteilen.


Fraglich ist, ob er noch einen Vergütungsanspruch hat, wenn er gegenüber der Agentur für Arbeit erklärt, er wolle an seinen Arbeitsplatz zurückkehren und sich ansonsten nicht um einen anderen Arbeitsplatz bemüht hat.

In diesem Fall stritten ein Arbeitnehmer und sein ehemaliger Arbeitgeber über die Zahlung von Annahmeverzugslohn. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe sich nicht ausreichend um eine neue Stelle bemüht und dadurch böswillig den Erwerb anderweitigen Verdienstes unterlassen.

 

In dieser Situation hat das Arbeitsgericht in der I. Instanz entschieden, dass die unterlassenen Bemühungen zwar böswillig gewesen seien. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass der Kläger ohne dieses Fehlverhalten anderweitigen Verdienst erzielt hätte. Insbesondere habe die Beklagte (also Arbeitgeberin) dem Kläger auch keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet und auch keine Prozessbeschäftigung angeboten. Daher bestehe ein Anspruch zur Zahlung von Annahmeverzugslohn.

Diese Entscheidung wurde bestätigt vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in der Entscheidung vom 11.09.2024 – 4 Sa 10/24 – wobei allerdings unter dem Az. 5 AZR 273/24 noch ein Revisionsverfahren beim Bundesarbeitsgericht anhängig ist.

Rechtlicher Hintergrund

Befindet sich ein Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigung im Annahmeverzug,


muss er dem Arbeitnehmer grundsätzlich weiterhin das Gehalt zahlen – selbst wenn dieser nicht arbeitet. Allerdings entfällt dieser Anspruch, wenn der Arbeitnehmer in dieser Zeit anderweitigen Verdienst erzielt oder böswillig darauf verzichtet hat, eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber sich auf eine Anrechnung des hypothetischen Einkommens berufen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte mit einer Entscheidung vom 07.02.2024 (5 AZR 177/23) die Anforderungen an den Arbeitgeber in diesem Zusammenhang gelockert. Demnach kann sich der Arbeitgeber sogar nachträglich Informationen über verfügbare Stellen beschaffen, um nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer sich auf eine zumutbare Stelle hätte bewerben können. Gelingt dieser Nachweis, trägt der Arbeitnehmer die Beweislast dafür, dass eine Bewerbung erfolglos gewesen wäre.

Symbolische Darstellung einer Kündigung, in welcher eine Spielfigur aus einer Reihe gestoßen wird

Entscheidung des LAG Baden-Württemberg

Das LAG lehnte eine solche Verschärfung der Anforderungen an Arbeitnehmer ab und stellte fest, dass im vorliegenden Fall kein böswilliges Unterlassen nachgewiesen werden konnte.


Die entscheidenden Punkte:

  1. Kenntnis von Stellenangeboten ist Voraussetzung für böswilliges Unterlassen
    • Damit dem Arbeitnehmer vorgeworfen werden kann, sich böswillig nicht beworben zu haben, muss er überhaupt Kenntnis von einer passenden Stelle gehabt haben.
    • Der bloße Hinweis des Arbeitgebers auf eine allgemein gute Arbeitsmarktlage reicht dafür nicht aus.
  2. Nachträglich recherchierte Stellen reichen nicht aus
    • Der Arbeitgeber hatte erst nach Ablauf des Verzugszeitraums Stellenangebote ermittelt und diese im Prozess vorgelegt.
    • Da der Arbeitnehmer diese Stellen zum fraglichen Zeitpunkt nicht kannte, kann ihm auch kein böswilliges Unterlassen vorgeworfen werden.
  3. Kein unbegrenztes Bewerbungsgebot für Arbeitnehmer
    • Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich um eine neue Stelle zu bemühen, jedoch nicht in unbegrenztem Umfang.
    • Eine Pflicht zur unermüdlichen Bewerbung besteht nur, wenn die Agentur für Arbeit ihm konkrete Vorgaben macht.
  4. Keine Beweislastumkehr zulasten des Arbeitnehmers
    • Das BAG hatte argumentiert, dass der Arbeitnehmer in einem solchen Fall beweisen müsse, dass eine Bewerbung erfolglos gewesen wäre.
    • Das LAG widersprach dieser Sichtweise: Der Arbeitgeber trägt die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine konkrete Stelle existierte, die der Arbeitnehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit erhalten hätte.
    • Eine bloße Schätzung des hypothetischen Verdienstes ist nicht zulässig, solange die grundsätzliche Möglichkeit einer erfolgreichen Bewerbung nicht erwiesen ist.

 

Frau liest mit Entsetzen Ihre Kündigung

Bedeutung der Entscheidung

Das LAG Baden-Württemberg bleibt damit


bei der bisherigen Rechtsprechung und lehnt die vom BAG angedeutete Verschärfung ab. Es stellt klar, dass Arbeitgeber nicht einfach nachträglich irgendwelche Stellenangebote recherchieren und daraus eine unterlassene Bewerbungspflicht des Arbeitnehmers konstruieren können. Entscheidend bleibt, dass der Arbeitnehmer zum relevanten Zeitpunkt tatsächlich von einer zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeit wusste.

Da der Fall nun beim BAG anhängig ist (5 AZR 273/24), bleibt abzuwarten, ob das höchste deutsche Arbeitsgericht an seiner neuen Linie festhält oder die strengeren Anforderungen des LAG bestätigt.

 

https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/NJRE001588329

Sind Sie von Kündigung betroffen?


Handeln Sie schnell und vereinbaren Sie einen Termin!

Sie erreichen uns unter der zentralen Telefonnummer 0441-99 84 88 0.
Sollten die Anwälte gerade nicht verfügbar sein, hilft Ihnen eine Sekretärin weiter und legt Ihr Anliegen bei nächster Gelegenheit dem Anwalt vor. Sie erhalten so bald wie möglich einen Rückruf.
​Außerhalb der Bürozeiten können Sie uns eine Nachricht auf den Anrufbeantworter sprechen (Telefon 0441-99 84 88 0). Sie erhalten so bald wie möglich einen Rückruf.

 

Gut gelegen

Die Kanzlei liegt direkt an der Cäcilienbrücke in unmittelbarer Nähe zum Gerichtsviertel von Oldenburg.
Freie Parkplätze finden sich entlang der Hunte in der Herrmann-Ehlers-Straße, eine aktuelle Straßenkarte mit Routenplaner bietet Ihnen unsere Google Maps Karte weiter unten.